Manfred Wagner
András Kapitány
Der Künstler wurde 1964 in Rumänien geboren und studierte in Budapest bei Dóra Maurer, die ihm half, sich zu sich selbst zu entwickeln. Dies ist deswegen von grosser Wichtigkeit, weil aufgezeigt wird, dass das Lehrer –Schüler–Verhältnis nicht primär in der Transportation des Wissens vom Älteren zum Jüngeren besteht, sondern in einer symbiotischen Auseinandersetzung um die Anlagen und Möglichkeiten der Kunstausübung.
Demgemäss sieht Kapitány seine Aufgabe in Fragestellungen, die er mithilfe künstlerischer Lösungen zu beantworten versucht. Dabei ist ihm die Methode ziemlich gleichgültig, sofern sie nur Antworten liefert. Deswegen ist die Frage nach konkret und abstrakt, figural oder nichtfigural müssig, ein auffallendes Syndrom in einer Kunstszene, die immer noch in alten Antipoden denkt.
Deswegen kümmert er sich nicht um die Materialität, sondern entwickelt ihr bei aller Verschiedenheit entsprechende Bearbeitungsmethoden. Diese können Oberflächen betreffen, die zu gestalten sind, ebenso aber Farbabstrahlungen, die sich selber definieren, das Auffinden von objets trouves, und wenn es – wie die Akademie – ganze Gebäude umfasst.
Kapitány konstruiert aus dunklen Innenräumen und Schlossöffnungen Camere obscure, ersetzt berühmte Tischrunden (Duchamp & Co.) durch Computer zwecks virtueller Gesprächsführung, erstellt Strassengalerien mit virtuellen Bildern oder produziert CD-Roms im Nachvolllzug künstlerischer Handlungen.
Jenes Projekt, das – zumindest ansatzweise – im Collegium Budapest präsentiert wurde , bezieht sich auf die Konstruktionsmechanismen M.C.Eschers(1898-1972).
Kapitány untersucht dabei nicht nur die Statik der merkwürdigen Zeichnungen dieses geheimnisvollen Kristallographen und Mathematikers, sondern auch ihre dreidimensionale Stimmigkeit und nimmt aus dieser Untersuchung den Ansatz für weitere Arbeitsschritte.
Letztlich geht es ihm – wie in “Parazita” von 1995 – um das Aufspüren der “Gene der Architektur”, also jener Ausdruckskräfte, die das Konstrukt erst entstehen lassen. Dies ist nicht nur ein analytisches Verfahren, sondern ebenso ein dekonstruktivistisches. Dekonstruktion bedeutet in der neueren Architekturgeschichte, wie sie Frank O’ Gehry oder Coop Himmelblau baulich schrieben, nicht Zerstörung sondern Aneinanderreihung der bewussten und unbewussten Planungselemente, die sich skulptural ausprägen lassen. Dieses Verfahren treibt Kapitány in seiner Arbeit in die Extreme, soweit bis der Computer quasi selbst reagiert und an die Grenzen seiner Möglichkeiten stösst .
Die einzelnen Schritte und vor allem die Arbeitsergebnisse liegen dann als beliebige Grössen im Laserausdruck vor oder können im Internet abgerufen werden.
Auffallend ist, dass – vermutlich entgegen allen Erwartungen – Grafisches entsteht, das auch allen konventionellen Ansprüchen genügt. Was kann dies belegen?
Dass der Mensch nicht imstande ist, Ungeordnetes zu tun (Wilhelm Fucks)?
Dass, wie Kapitány selbstbewusst argumentiert, aus der Arbeit eines Künstlers immer Künstlerisches resultiere?
Dass, wie die Naturwissenschaft lehrt, die (perfekte) Konstruktion auch in der Analyse (perfekte) Applikationen liefern müsse?
Die Argumente sind denkbar und die Erfahrung des Kulturhistorikers kann dazu keinen Widerspruch anmelden.
Damit reiht sich der Künstler András Kapitány in jene internationale Gemeinschaft, die, wie vermutlich, letztmals zu Zeiten der Renaissance nicht nur die Wahrnehmung des Menschen überprüfen, sondern sich auch wieder stärker der wissenschaftlichen Betrachtungsweise annähern.
Dass dies mit den modernsten Werkzeugen geschieht, die selbst für ihre Bedienung einiges an Phantasie und Wissen abfordern und selbst ausschliesslich streng logisch operieren, unterstreicht nur die These.
Dazu kommt, dass die Analyse als primär wissenschaftliche Methode als Ausgangsbasis der weiteren, in die Kunst reichenden Vorgangsweise dient, und damit eine Verbindung zwischen den beiden Zugängen hergestellt wird, die als integrale zu bezeichnen ist. Das Produkt also und sogar der Prozess dahin, wenn man so will, können gar nicht mehr ohne Substanzverlust aus einem der beiden Konstitutiva herausgelöst werden.
Damit zeigt sich ohne Vorbehalte, worin die so oft beschwörene Transformation von Kunst und Wissenschaft in unserer Gegenwart beruht: Nicht auf dem Ersatz von einem durch das andere, auch nicht (gewiss sehr zum Leidwesen der marktgewinnenden Kunstvermittler) auf dem wissenschaftlichen Sprechen über Kunst oder auf der (jüngst häufig geübten) Mode, wissenschaftliche oder parawissenschaftlich bezeichnete Arbeit (vor allem im Sozialkontext) zur Kunst zu erklären.
Die allenthalben konstatierte Annäherung von Wissenschaft und Kunst (die, nebenbei bemerkt, niemals in der abendländischen Kunstgeschichte gänzlich verlorengegangen war) ist ein Resultat unserer modernen rationalistischen Denkweisen und jener darauf beruhenden Werkzeuge sowie der unvermeidlichen psychischen Kraft, mithilfe künstlerischer Erfahrung jene Fragestellungen zu lösen, die uns begegnen. Die Arbeit András Kapitánys ist dafür ein treffender Beleg.
Nincsenek megjegyzések:
Megjegyzés küldése